Sonntag, 3. Januar 2016

Sportlich einwandfrei

So freut man sich als WM-Teilnehmer. Bild: Marco Verch/ flickr.com
Laut türkischen Medienberichten ist der VfB Stuttgart an einer sofortigen Verpflichtung von Kevin Großkreutz interessiert. Warum der Transfer Sinn machen würde.

Es gab Zeiten, da wurde Kevin Großkreutz als einer der vielseitigsten Spieler Europas gelobt. Trainer wie Lucien Favre oder Bruno Labbadia schwärmen dann gerne von "Polyvalenz". Franz Beckenbauer würde es so ausdrücken: "Der kann's links wie rechts." Genau genommen als Linksaußen, als Rechtsaußen, als Rechtsverteidiger...

Und dann gibt es da noch den - nennen wir es doch einfach - Menschen Kevin Großkreutz. Der sich selbst der Dortmunder Ultra-Szene zurechnet, was natürlich ein Gschmäckle hat nach dem Fahnen-Gate Anfang Dezember. Zum Menschen Großkreutz gehören Werbespots, die er besser nicht hätte mitmachen sollen. Es gehören Döner-Würfe in einem Hotel dazu. Genauso wie Wett-Pinkeln in die Lobby eines Berliner Clubs nach dem verlorenen Pokalfinale inklusive Pöbeleien gegen das Personal. Großkreutz hat sich nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft besoffen aufs Kinn gelegt und sich anschließend den WM-Pokal tätowieren lassen - obwohl er nicht einmal spielte. Schließlich wechselte er mit einigermaßen Frust im Bauch nach Istanbul, spielte dort wegen eines formellen Fehlers keine Sekunde und hat jetzt: Heimweh.
Mit anderen Worten: Kevin Großkreutz ist nicht bloß ein Typ, von denen es ja angeblich im Fußball keine mehr gibt. Er ist das Überbleibsel des echten Prolls. Man kann sich darüber lustig machen, ihm den goldenen Umberto verleihen. Seinen sportlichen Wert für eine Mannschaft zu vergessen, wäre allerdings falsch.

Erfahrung und Kämpferherz
Im Gegensatz zur Weltmeisterschaft, wo er ausschließlich schmückender Alleinunterhalter war, hat Goßkreutz am Gewinn der beiden Deutschen Meisterschaften und des Pokalsiegs von Dortmund erheblichen Anteil. Bekanntlich kann und konnte er es nie mit den technisch versierten Spielern à la Reus, Götze, Sahin und Co. aufnehmen. Aber er haut sich rein, bis zum letzten Körnchen. In Dortmund wird man dies bestätigen. Eine Haltung zum Beruf, an der es in Stuttgart nicht nur mancherorts mangelt.
Er rennt im Schnitt über 11,5 Kilometer pro Spiel. Ein Spitzenwert. Er hat die Erfahrung von 176 Bundesliga- und 29 Champions League-Spielen. In sechs Jahren beim BVB. Mit 27 Jahren ebenfalls nicht das schlechteste Zeugnis. Im Schnitt war er während seiner Dortmunder Zeit in jedem dritten Spiel an einem Tor beteiligt. 
Was ebenfalls viele ausblenden, die vor dem möglichen Wechsel die Hände über dem Kopf zusammenschlagen: Auf dem Platz ist Großkreutz trotz allen Einsatzes keine Drecksau. In seiner Profikarriere kassierte er nicht einmal die rote oder gelb-rote Karte.

Nach dem gescheiterten Abenteuer Türkei, ist Großkreutz Manns genug, die zweite Chance in der Bundesliga als Last Shot hinzunehmen? Gelingt ihm das, traue ich ihm sogar zu, zum Publikumsliebling zu werden. Vor allem aber zum sportlichen Leistungsträger, zu einem Einpeitscher. An sich ein Spieler wie gemacht für den Abstiegskampf.

Was gegen eine Verpflichtung von Großkreutz spräche? Die kolportierten 2,6 Millionen Euro Ablöse. Das ist deftig und dürfte an einen eventuellen Abgang von Filip Kostic geknüpft sein, dessen Position er einnehmen kann. Und dann wäre da noch die Saison 2014/15, in der sich Großkreutz unter anderem einen Müskelbündelriss zuzog und später am Knie operiert werden musste. Lange Ausfallzeiten waren die Folge. Auch wenn es seine erste schwere Verletzung war: Darauf gilt es zu achten. So wie auf die aktuell mangelnde Spielpraxis nach der unfreiwilligen halbjährigen Pause in der Türkei.

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